Werden verletzte, kranke oder verwaiste Vögel gefunden, ist der NABU oft die erste Adresse bei Hilfegesuchen. Daher werden vor allem während der Brutzeit die Kapazitäten der Anlaufstellen bei Aufnahme und Beratung schnell überschritten, so dass Hilfeleistungen nur noch eingeschränkt gegeben werden können. Auf Basis einer sachlichen und empathischen Kommunikation wollen wir die Erwartungshaltung hilfesuchender Bürger*innen auffangen und ein realistisches Bild der Möglichkeiten des NABU vermitteln.
Jedes Jahr aufs Neue bringt die Brutzeit der Vögel einen Schwall an Anfragen und Hilfegesuchen, mit denen sich der NABU zwangsläufig auseinandersetzen muss. Viele der Hilfesuchenden befinden sich in einer emotionsgeladenen Situation, in der sie einen Vogel aufgefunden haben und diesen versorgen wollen. In der Außenwahrnehmung ist der NABU für viele der Vogelschutzverein, der sich nicht nur für den Erhalt von Arten und ihren Lebensräumen engagiert, sondern auch für einzelne Individuen. Das Online-Angebot an NABU Informations- und Beratungsseiten wie auch externen Webinhalten ist groß.
Dieser Leitfaden dient als Handreichung für einen möglichst normierten und angemessenen Umgang mit Anfragen und Hilfegesuchen.
Vogelschutz und Ornithologie zählen zur Kernkompetenz des NABU. Zahlreiche Anfragen aus der Bevölkerung und von der Presse unterstreichen die starke Außenwirkung und das allgemeine Verständnis unserer Arbeit. Die Versorgung verletzter und hilfebedürftiger Vögel ist dabei kein Randthema und sollte auch nicht als ein solches betrachtet oder gar als „Tierschutz“ abgetan werden. Die öffentliche Wahrnehmung trennt die Wildvogelhilfe nicht von Themen des Arten-, Umwelt- und Naturschutzes. Zugleich ist sie ein greifbares und öffentlichkeitswirksames Thema zur Kommunikation von meist menschengemachten Gefährdungsursachen und entsprechenden Präventionsmaßnahmen, vor allem zum Schutz der Vögel im Siedlungsraum. Die Wildvogelhilfe ist zu einem
bedeutenden Teil auch der Umweltbildung und der Verknüpfung übergeordneter Themen dienlich.
Die Kompetenzen und Aufgaben der einzelnen Wildvogelstationen und Aufnahmestellen im NABU gestalten sich je nach Standort und Expertise unterschiedlich. Gleiches gilt für die Vielzahl weiterer, teils privat betriebener Aufnahmestellen für Wildvögel. Regionale und leistungsspezifische Unterschiede sollten daher bei Empfehlungen und Vermittlung Hilfesuchender immer bedacht werden. Neben der Beratung kümmern sich die meisten Auffangstellen vor allem um die Versorgung beeinträchtigter Vögel vor Ort, ferner auch bei Außendiensteinsätzen, und deren Rückführung nach Genesung. Eine veterinärmedizinische Erstversorgung wird dabei oft vorausgesetzt, kann jedoch nicht immer durch die Annahmestellen gewährleistet werden.
Eines aber eint alle Wildvogelaufnahmestellen: Spätestens zur Brutzeit werden die finanziellen, vor allem aber die personellen Kapazitätsgrenzen immer erreicht. Selten nur kann sich die Wildvogelhilfe im NABU auf hauptamtliche Stellen stützen. Vielmehr sind die Aufnahmestellen stark vom ehrenamtlichen Engagement abhängig. Ihnen fehlt es daher oft an Planungssicherheit.
Menschen, die einen Vogel auffinden, der ihrer Einschätzung nach Unterstützung benötigt, und die sich hilfesuchend an den NABU wenden, übernehmen an diesem Punkt Verantwortung für ein Wildtier. Eine solche Situation ist den meisten fremd und sie führt zwangsläufig zu emotionalem Stress. Umso wichtiger ist es ihnen angemessen zu begegnen und nach bestem Wissen zu vermitteln, zumal mit dem Hilfegesuch oft eine gewisse Erwartungshaltung gegenüber dem NABU verknüpft ist.
Hilfesuchenden muss vorsichtig, aber deutlich vermittelt werden, dass der NABU in den meisten Regionen nicht über die Strukturen verfügt, hilfebedürftige Tiere aufzunehmen, noch dass eine Garantie auf Vermittlung einer Annahmestelle gegeben werden kann. Ist eine Aufnahmestelle in der Nähe vorhanden, sind die Kapazitätsgrenzen
dieser während der Brutzeit schnell erreicht, zumal ein Großteil der Versorgung auf den Schultern weniger Mitarbeitender lastet. Auch ist zu bedenken, dass Auflagen der Veterinärbehörde gelten können, die die Aufnahmekapazität der jeweiligen Einrichtung beschränken.
Leider muss man sich selbst, vor allem aber dem Gegenüber eingestehen, dass nicht immer eine zufriedenstellende Lösung für alle Fälle herbeigeführt werden kann. Zwangsläufig generiert dies Frust und Unzufriedenheit, die schlimmstenfalls zum Verlust von Mitgliedschaften oder einer Rufschädigung des NABU führt, indem Ratschläge oder Ansichten Einzelner zur allgemeinen Praxis des NABU hochstilisiert werden. Umso wichtiger ist es, die Frustration der Hilfesuchenden zu verstehen und mit einer angemessenen Kommunikation aufzufangen.
Der Verweis auf das umfangreiche Informationsangebot des NABU sollte stets vorangestellt werden. Der NABU Bundesverband bietet auf seiner Webseite eine schnelle Entscheidungshilfe, für den Fall, dass ein verletzter oder hilfebedürftiger Vogel aufgefunden wird. Dort findet man zudem in Form einer interaktiven Karte eine Übersicht möglicher Anlaufstellen für die Aufnahme und Versorgung hilfloser und verletzter Vögel.
Die Seite Wildvogelhilfe.org bietet ebenfalls eine Übersicht von Aufnahmestellen und Stationen sortiert nach Postleitzahlen. Darüber hinaus bietet die Seite eine gute Beschreibung fachlich fundierter Erste-Hilfe-Maßnahmen an.
Als erste Anlaufstelle für eine direkte Beratung bietet sich immer auch das NABU-Naturtelefon (030/ 284 984 6000; Mo - Fr 9 bis 16 Uhr) und der dazugehörige NABU-Infoservice an.
Der Verweis auf tierärztliche Praxen kann zielführend sein, zumal viele Wildvogelaufnahmestellen keine veterinärmedizinische Erstversorgung leisten können. Dabei sollte auch hier durch eine Kontaktaufnahme im Vorfeld immer erst geklärten, ob die jeweilige Praxis oder Aufnahmestelle, überhaupt Vögel oder bestimmte Artengruppen (kleine Singvögel, Greifvögel, Falken, Eulen etc.) annehmen und versorgen kann. Ebenso kann eine Verständigung mit der zuständigen Naturschutzbehörde helfen, wenn diese Kontakte zu regionalen Aufnahmestellen pflegen.