Der Neuntöter


Vogel des Jahres 1985

Neuntöter - Foto: Frank Derer
Neuntöter - Foto: Frank Derer

Name und Verwandtschaft
Der Neuntöter (Lanius collurio) ist der hierzulande am stärksten verbreitete Vertreter der Familie der Würger (Laniidae), von der es weltweit 64 Arten gibt. Hierzu gehören auch der seit 1987 in Deutschland ausgestorbene Schwarzstirnwürger, der extrem seltene Rotkopfwürger und der noch sporadisch anzutreffende Raubwürger.

Kennzeichen
Seinen brutal klingenden Namen erhielt der Neuntöter aufgrund seines Beuteverhaltens. Als Nahrungsreserve beziehungsweise zur Bearbeitung spießt er Insekten, kleine Vögel oder Mäuse auf Dornen oder spitze Zweige auf. Ein typisches äußerliches Merkmal dieser Singvögel ist ihr falkenähnlicher Oberschnabel, der wie bei Greifvögeln mit einem so genannten Falkenzahn versehen ist.

Das prächtig gefärbte Männchen des Neuntöters ist vor allem durch seinen auffälligen schwarzen Augenstreif und seinen grauen Oberkopf und Nacken, der sich deutlich von den rostroten Rücken- und Flügelpartien abhebt, leicht erkennbar. Weibchen und Junge sind demgegenüber eher unscheinbar. Beide besitzen einen braunen Augenstreif, einen rostroten Oberkopf und Rücken. Unterseite und Flanken sind hell mit dunkelbraunen Bogenlinien.

 

Lautäußerungen
Der Neuntöter-Gesang klingt relativ leise schwätzend, enthält häufig zahlreiche Imitationen und wird meist mit dschä Rufen eingeleitet oder abgeschlossen. Angriffs- und Erregungslaute sind teck teck teck, dschrää oder trrt trrt.

Nahrung
Der Neuntöter ernährt sich hauptsächlich von Insekten, vor allem von Käfern, Heuschrecken und Grillen. Gelegentlich frisst er auch Kleinsäuger, zum Beispiel junge Feldmäuse und Jungvögel.

Lebensraum
Der Neuntöter gilt bei uns als Charaktervogel einer halboffenen, reich strukturierten Landschaft. Hier bewohnt er vor allem trockene und sonnige Landstriche mit ausgedehnten Busch- und Heckenbeständen. Auch an buschreichen Waldrändern und in Feldgehölzen trifft man ihn an.

Fortpflanzung
Sein Nest baut der Neuntöter gewöhnlich einen bis zwei Meter über dem Boden in dichtem Dornengebüsch, Sträuchern oder kleinen Bäumen. Anfang Mai bis Ende Juni legt das Weibchen fünf bis sechs variabel gefärbte (hell grünlich, gelblich oder rötlich) und gefleckte Eier, die 14 bis 16 Tage bebrütet werden. Es schließt sich eine 13 bis 15-tägige Nestlingsphase an, gefolgt von einer 26 bis 38 Tage dauernden Führungsperiode. Nach Beendigung des Brutgeschäfts verlässt der Neuntöter meist schon im August sein Brutgebiet, um das Winterhalbjahr im tropischen Afrika zu verbringen.

Verbreitung
Der Neuntöter ist in der borealen, gemäßigten und mediterranen Zone von Nord-Spanien und West-Europa bis Kasachstan verbreitet. Das Areal in Mitteleuropa umfasst das Tiefland und Tallandschaften bis hin zu vereinzelten subalpinen Regionen.

 

Bestand
Nachdem der Neuntöter in den 70er und 80er Jahren bundesweit deutlich seltener geworden war, haben sich die Bestände seit einigen Jahren vielerorts stabilisiert. Dank dieser positiven Entwicklung konnte er 2002 aus der Roten Liste gefährdeter Brutvogelarten entlassen werden. Die europäische Gesamtpopulation (ohne Russland) wird auf vier bis acht Millionen Brutpaare geschätzt. In Deutschland brüten zwischen 90.000 und 190.000 Paare.

Gefährdung
Lebensraumveränderungen und der Verlust an geeigneten Brutmöglichkeiten durch eine sukzessive Ausräumung der Landschaft, aber auch durch planmäßige Flurbereinigungen, sind auch heute noch zu beklagen. Die Beseitigung von Hecken und Gebüsch, der Umbruch von Grünland und Heideflächen, die weiter fortschreitende Zersiedelung der Landschaft, und ein noch immer ungebremster Biozid- und Düngemitteleinsatz reduzieren weiterhin die Zahl geeigneter Brutplätze und das Nahrungsangebot.

Maßnahmen zum Schutz

Um den Bestand langfristig zu stabilisieren sind folgende Schutzmaßnahmen bedeutsam:

  • Erhalt und Entwicklung reich strukturierter Heckenlandschaften
  • Verringerung des Einsatzes von Insektiziden, Herbiziden und Düngemitteln in der Kulturlandschaft
  • Förderung von extensiv genutztem Grünland, Streuobstgebieten, Brachen, natürlichen Waldsäumen und Trockenstandorten